Ende Januar 2016 flog eine 14-köpfige Delegation aus SchülerInnen und LehrerInnen des Werkgymnasiums und des Schulverbundes im Heckental nach Bangladesch. Anlass war das 30-jährige Jubiläum der Partnerschaft zwischen unseren Heidenheimer Schulen und der St. Teresas-High-School in Bhalukapara.
Die Vielfalt der gewonnenen Eindrücke ist noch immer sehr präsent – einige dieser Eindrücke teilen die Schülerinnen und Schüler an dieser Stelle in ihren Reisenberichten.
Religion & Geschlechterrollen
Bangladesch ist ein muslimisch geprägtes Land. 90% der Bevölkerung sind streng gläubige Muslime, 9% sind Hindus. Christen und Buddhisten sind deutlich in der Minderheit. Für die Katholiken in Bhalukapara ist ihr Glaube sehr wichtig. Täglich gibt es Gottesdienste, in denen viel gesungen wird und die sehr lebendig und fröhlich gefeiert werden.
Unsere Partnerschule St. Teresas High School ist eine katholische Schule, die aber auch von muslimischen Kindern besucht wird. Was uns sehr überrascht hat, ist, dass es in bengalischen Schulen eine klare Trennung von Mädchen und Jungen gibt. Bereits beim Morgenappell müssen sie sich getrennt aufstellen und auch in den Klassenräumen sitzen Mädchen und Jungen getrennt. Manchmal kommt es auch vor, dass Tische und Bänke nicht für alle Kinder ausreichen – dann müssen die Mädchen im Unterricht auf dem Boden sitzen.
Auch nach der Schulzeit, in den Familien, setzt sich die klare Rollenverteilung von Mann und Frau fort. Männer in Bhalukapara versorgen ihre Familien, vor allem durch die Arbeit auf ihren Reisfeldern, während sich die Frauen um die Hausarbeiten kümmern.
Schulalltag
Dies sind aber längst nicht alle Besonderheiten und Unterschiede, die uns an unserer Partnerschule aufgefallen sind: der militärisch anmutende Morgenappell auf dem Schulhof wirkte auf uns sehr befremdlich, ebenso das Singen der Nationalhymne. Was auf den ersten Blick hingegen neidisch werden lässt, ist die Uhrzeit des Unterrichtsbeginns: 10 Uhr! Weniger neidisch machen hingegen die Gründe dafür: kilometerlange Schulwege – zu Fuß oder gemeinsam auf einem Rad – sowie morgens bereits Haus- und Feldarbeit, lassen diese Uhrzeit in einem anderen Licht erscheinen. Die Klassenräume sind randvoll besetzt, an einem Tisch sind 4 Schüler keine Seltenheit – und das, obwohl etwa ein Drittel der bis zu 100 Schüler pro Klasse normalerweise nicht anwesend ist; die meisten von ihnen müssen bei der Arbeit helfen. Eine weitere Besonderheit ist der Stundenplan: es gibt lediglich einen Tages-Stundenplan pro Klasse, somit hat man jeden Tag dieselben Fächer – außer am Sonntagnachmittag, dieser ist unterrichtsfrei.
Schulsystem
Das Schulsystem in Bangladesh folgt im Wesentlichen dem britischen Vorbild. Es gibt staatliche Premier- und High-Schools. Die Grundschule ist verpflichtend und dauert fünf Jahre. Darauf folgt die Middle- bzw. High-School, wie unsere Partnerschule, mit weiteren fünf Jahren. Ihr Besuch kostet die Schüler ein Schulgeld, welches zu einem großen Teil durch unsere Spenden finanziert wird. Ein weiterer Teil der Wissensvermittlung wird durch die religiös geprägten Koranschulen abgedeckt. Der früher nicht selbstverständliche Zugang zur Schulbildung verschafft vielen Bengalen eine neue Perspektive in ihrem Land. So können sie durch einen entsprechenden Schulabschluss sogar an Universitäten studieren. Meistens scheitert dies jedoch an den fehlenden finanziellen Mitteln, sodass viele Schulabgänger ohne weitere Berufsausbildung in den elterlichen Betrieben arbeiten. Dennoch ist die Bildung enorm wichtig für die dort lebende Landbevölkerung, bei der bis heute ca. 42% Analphabeten sind und ihr Leben ohne Stift und Papier zubringen. Unsere Schulpartnerschaft ermöglicht aktuell über 900 Schülern Zugang zum High-School-Abschluss.
Leben und arbeiten
Wofür Bangladesch hierzulande besonders bekannt ist, sind seine Textilfabriken. Vieles, was wir tragen, wurde dort hergestellt. Viele Frauen arbeiten dort unter sehr schlechten Bedingungen. Vor allem in der Hauptstadt Dhaka sind viele Nähfabriken, jedoch muss man gezielt darauf achten, um diese zu entdecken. Man erkennt sie entlang der Hauptstraßen an der Umzäunung: hohe Mauern, Stacheldraht, Sicherheitspersonal und verdunkelte Scheiben – und wenn man dennoch einen Einblick erhascht: Neonbeleuchtung. Ist man in Bangladesch unterwegs, so fallen die meist unfertigen Gebäude auf, diese sind aus Ziegelsteinen gebaut. Jedoch wohnen die meisten Leute in einfachen Wellblech- oder Lehmhütten, ganz Arme – vor allem in den Städten – gar auf der Straße. Die Gebäude sind so gebaut, dass jederzeit aufgestockt werden kann. Das dazu benötigte Material wird von Arbeitern meist auf dem Kopf nach oben getragen – die stützenden Gerüste bestehen dabei aus Bambus. Mehr als nur überrascht waren wir von hierzulande undenkbaren Jobs: etwa Schotter-Hersteller, am Straßenrand sitzend und „bewaffnet“ nur mit einem Hammer, oder Schrankenheber – an einer Art Mautstelle zieht derjenige für jedes passierende Fahrzeug an einem Seil, um die Schranke anzuheben; aber auch Lastenträger – etwa für Reissäcke – ist ein gängiger Berufsstand.
Da es in den Hütten keine Kühlschränke gibt, muss frisch eingekauft werden, wenn frisches Essen auf den Tisch kommen soll. So werden Tiere beispielsweise lebend auf dem Markt gekauft. Auf diesen Märkten wird einem von Tieren über Gewürze und Kleidung alles angeboten. Die Preise entstehen für uns Außenstehende scheinbar willkürlich, kommt man dann auch noch als Europäer daher, gehen sie noch schneller in die Höhe. So kauften wir getrocknete Mango bei einem Händler für 170 Taka, 100m weiter wurde es uns für etwa die Hälfte angeboten.
Essen und Trinken
Die Grundlage des Essens in Bangladesch ist Reis. Dazu gibt es eigentlich immer Dal – eine breiartige Linsensoße, die, wie so ziemlich alles dort, scharf gewürzt ist. In unserer Zeit in Bangladesch ist uns oft aufgefallen, dass das Essen von den Köchen und Köchinnen an unsere „Verhältnisse“ angepasst wurde. Die Gerichte waren bei Mahlzeiten, die von Leuten zubereitet wurden, die uns kannten, deutlich weniger scharf als die Gerichte an Marktständen. Außerdem bekamen wir zu beinahe jeder Mahlzeit Fleisch (meist Huhn) gereicht, was die meisten Menschen dort nicht oft essen, da es teuer ist. Zum Frühstück gab es für uns, neben den Reisgerichten, Banane und andere Früchte sowie des öfteren Chapatis. Das sind pfannkuchenartige Getreidegebäcke, die sowohl süß als auch herzhaft verspeist werden können. Zum Mittag gab es dann die Hauptspeise des Tages, die aus Reis, seltener auch mal Nudeln, Dal, Gemüse und Fleisch bestand. Zum Abendessen gab es im Grunde genommen nochmal dasselbe. In den Pausen zwischen den Hauptmalzeiten gab es in der Regel jeweils eine Teepause mit Chai, löslichem Kaffee und kleinen Snacks. Zum Trinken gab es über den Tag stilles Wasser aus Flaschen, bei denen wir stets darauf achten mussten, dass diese doppelt versiegelt, also original verschlossen und nicht abgefüllt waren. Da im Islam der Konsum von Alkohol verboten ist, gibt es in Bangladesch keinen Alkohol zu kaufen. Nichtmuslime, bei denen wir zu Besuch waren, stellten deshalb in Eigenproduktion sogenanntes Reisbier – oder in verdünnter Form Reiswein – her, welches wir am Abend auch des Öfteren trinken durften.
Verkehr
Auf den Straßen in Bangladesch findet man Busse, LKWs, ein paar Autos und jede Menge Rikschas und Fahrradrikschas. Aufgrund der vielen Fahrzeuge sowie des schlechten Zustandes der Straßen geht der Verkehr nur sehr langsam voran. Dafür gleicht der Geräuschpegel auf den Straßen einer Hochzeitskolonne, denn man fährt dort nach Gehör und hupt, um voranzukommen. Größere Fahrzeuge haben eine lautere Hupe als die Rikschas beispielsweise und so entsteht eine gewisse Rangordnung auf der Straße, bei der keine „gewöhnlichen“ Verkehrsregeln gelten. Dies zeigt sich vor allem bei Kreisverkehren: hier gebrauchen Polizisten Schlagstöcke, um den Verkehr zu regeln. Vor Unfällen gibt es auf bengalischen Straßen jedoch keinen Schutz und im Falle eines Verkehrsunglücks käme kein Rettungswagen rechtzeitig durch. Wir schauten also so viel wie möglich aus dem Seitenfenster – Eindrücke sammeln, die unvergesslich sind.